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Text & Bild: David Fürst"Weniger Legitimationsdruck, mehr Zeit & Geld für die Jugendlichen" wünscht sich Manuel Hadorn nach acht Jahren Jugendarbeit in Berns Westen. Was er alles in seine neue Stelle als Schulsozialarbeiter mitnehmen wird, erzählt Manuel im Interview und gibt dem toj seine Wünsche für die Zukunft mit. 

Wie hat alles angefangen? 

 

Nach meinem Studium an der Universität in Freiburg fing ich im Herbst 2013 als Jugendarbeiter in Bern West an. Zuerst mit 40 Stellenprozent, erhöhte dann aber auf 60 %. 

 

Wie hat dich die Zeit im toj geprägt? 

 

Es hat mich sicher sehr geprägt. Für mich ist und war es immer ein Privileg mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Jugendarbeit ist keine Einbahnstrasse, wir lernen täglich von den Jugendlichen. Die verschiedenen kulturellen und ökonomischen Hintergründe unserer Besucher*innen sind sehr bereichernd. Ich lernte viel über Religionen, Sprachen, Familienmodelle und auch viel über mich selbst. Die Jugendarbeit zeigte mir auch auf, dass ich in einer sozialen Blase aufgewachsen bin, wo mir ganz andere Herausforderungen begegnet sind als den Jugendlichen, die ich im toj begleitete. Durch die Arbeit mit den Jugendlichen sind mir auch meine Privilegien viel bewusster geworden. 

 

Was bringen dir deine Erfahrungen in der Jugendarbeit /Soziokultur für dein neues Arbeitsgebiet in der Schulsozialarbeit? 

 

Ich kann sicher viel mitnehmen aus meiner Zeit in der Jugendarbeit. Was auf jeden Fall hilft, ist das Wissen über unterschiedliche Lebensrealitäten, Haltungen und Weltanschauungen. Ich durfte viele Geschichten von Jugendlichen kennenlernen und kenne die Herausforderungen des Erwachsenwerdens. Eine der grössten Herausforderungen ist der Übergang von der Schuleindie Ausbildung und alles wasdaran hängt.  

 

Was waren für dich wichtige Momente und was war eher mühsam? 

 

Es gibt nicht ein Highlight. Erinnern werde ich mich sehr gerne an die vielen Ausflüge mit den Jugendlichen. Als wir vor 5 Jahren nach Basel an die Herbstmesse fuhren, kamen Jugendliche von all unseren Angeboten mit. Wir waren ca. 80 Jugendliche und unser ganzes Team war dabei. Eine Zusammenkunft unterschiedlichster Jugendlicher. Die Älteren die ca. 20 Jahre alt waren, kümmerten sich während des Ausflugs um die Jüngeren, welche damals erst 12 Jahre alt waren. Dieser Ausflug war eine mega schöne Erfahrung und die Jugendlichen erzählen noch heute davon. Erst vor kurzem hatten wir erneut das Privileg mit einer Gruppe von 40 Jugendlichen in den Europapark zu fahren. Definitiv ein weiteres Highlight  

 

Was ich eher mühsam finde ist, dass oft zu wenig Geld und Zeit für die Angebote da ist. Jeder Rappen muss umgedreht werden und es muss viel investiert werden, um an Geld zu kommen. Anträge, Konzepte und Berichte schreiben, auswerten, Öffentlichkeitsarbeit machen und so weiter. Dahinter steht oftmals auch eine Art Legitimationsdruck. Das kostet alles viel Zeit und die fehlt dann in der direkten Arbeit mit den Jugendlichen. Diesen Akt der Rechtfertigung für unser Handeln finde ich manchmal schwierig. Das Bild von Jugendarbeiter*Innen, die den ganzen Tag nur Tischfussball spielen und mit den Jugendlichen vor der Konsole hocken, ist leider noch weit verbreitet. Und ja, Corona war und ist natürlich auch mühsam, jedoch hat sich dadurch vielleicht sogar unsere Legitimation etwas erhöht. Wir erhielten viele positive Rückmeldungen für unsere Arbeit und es wurde gesagt, dass sie wichtig und wertvoll ist. 

 

Wohin sollte die Jugendarbeit? 


In den acht Jahren wurde vieles professionalisiert. Abläufe, Kommunikation, Dokumentation nehmen mehr Zeit in Anspruch und werden sicher auch genauer gemacht. Die Digitalisierung unterstützt diesen Prozess weiter und ich verbringe heute viel mehr Zeit vor dem Computer als noch 2013. Die ganze Zusammenarbeit war damals noch viel analoger und zum Teil auch persönlicher als heute. Nebst all diesen schnellen Entwicklungen, liegt das Geheimnis der Offenen Jugendarbeit für mich nach wie vor darin, möglichst viel Zeit mit den Jugendlichen zu verbringen. Die Jugendarbeit ist eines der einzigen Felder der Sozialen Arbeit, wo nachhaltige, persönliche Beziehungen zu jungen Menschen geknüpft werden können und dadurch gute Unterstützungsleistungen möglich sind. Jetzt, wo die Zahlen der Coronainfiziertenen wieder steigt, finde ich es besonders wichtig im Dialog zu bleiben, die Jugendlichen live zu treffen, zu diskutieren und auch Konflikte zu führen. Dies ist mega wichtig in dieser Zeit. 

 

Was wünschst du dir für den toj? 

 

Ich wünsche dem toj viel Geld und viel Zeit für die Jugendlichen. Ich denke, es werden viele gesellschaftliche Herausforderungen auf uns zukommen. Dabei wird der toj in Bern eine wichtige Institution für die Jugendlichen sein. Weiter wünsche ich dem toj, dass die Leute wissen, was hier für eine wichtige Arbeit geleistet wird und dass dadurch auch weniger Arbeit in die Legitimation gesteckt werden muss und somit mehr Zeit für die Jugendlichen da ist. 

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