Zurück zur Liste

Freiräume in Zeiten einer Pandemie: Jugendliche erzählen aus ihrem Alltag

Die zweite Welle sorgt für Gesprächsstoff und ist unter den jungen Menschen in den Jugendtreffs das top Thema: Maskenplicht, Gruppen von 15 Personen, Absage von Trainings, Partys, Freizeitangeboten und Konflikte in der Familie. Zuhause Freund*innen treffen ist bei vielen Familien nicht mehr möglich, weil Eltern Angst haben von einer Ansteckung durch den Besuch.  Restaurants oder Kaffees sind keine bevorzugten Treffpunkte für Jugendliche - aus finanziellen, wie auch aus sozialen Gründen-; da bleibt noch der öffentliche Raum, der aber in der kalten Jahreszeit temperaturtechnisch wenig attraktiv ist. Alternativ gibt es die Jugendtreffs in den Quartieren der Stadt Bern, wo sich junge Menschen treffen können ohne Konsumzwang und mit der Möglichkeit sich an Fachleute zu wenden.

 

Jugendtreff Bronx

Es ist Mittwochnachmittag der 14. Oktober und die heutigen Fallzahlen sind bei 2997, alle Jugendliche tragen eine Maske und sitzen auf den Sofas oder am langen Tisch. Ein Jugendlicher telefoniert per Video mit einem Freund, der in Quarantäne steckt. G. ist 14 Jahre alt und lebt mit seiner Familie im Tiefenauquartier. Er ist Zuhause, weil sich seine Mutter mit Corona infiziert hat. Durch die Lautsprecher des Handys erklingt seine Stimme und G. erzählt, wie die Familie die neue Situation organisiert. Alle haben zum Glück ein Zimmer für sich und treffen sich nicht gemeinsam in der Küche, gegessen und gekocht wird staffelweise. Noch knapp eine Woche, dann darf G. wieder in die Schule.  Die Jugendlichen nehmen Anteil, doch G. nimmt es gelassen. „Ich wünsche mir, dass die Situation bald vorbeigeht und nicht noch mehr geschlossen wird.“

 

Jugend- und Kulturzentrum New Graffiti

Im Jugendtreff Newgraffiti im Wylerquartier werden die Reaktionen auf die Corona-Situation etwas forscher formuliert:

„Man ist eingeschränkt und wir haben fast keine Freiheit mehr.“

S. 17 jährig macht eine Lehre als Pflegefachfrau: „Corona hat alles kaputt gemacht, sogar im Sportunterricht müssen wir jetzt eine Maske tragen“

W. 17 jährig, absolviert das 10. Schuljahr: „Wir werden immer kontrolliert im öffentlichen Raum, der Jugendtreff ist ein Rückzugsraum wo wir sein dürfen, ohne kontrolliert zu werden.“

 

Infothek Bern West

Die Jugendlichen sind am Bewerbungen schreiben und bereiten sich auf den Einstieg ins Berufsleben vor. Die Pandemie macht diesen wichtigen Prozess nicht einfacher und die Jugendlichen klagen über die Doppelbelastung, die die Auflagen und der Bewerbungsprozess mit sich bringen. Die Jugendlichen haben Verständnis für die Risiken und die Solidarität ist da, jedoch nerven sich viele über die Bestimmungen. Die Jugendarbeiter*innen sind im Austausch und leisten Sensibilisierungsarbeit. Die Jugendarbeit ist gefragt, die Jugendlichen in dieser Situation zu unterstützen.


Modi*Haus Bern West

Die meisten Besucherinnen* scheinen ziemlich gelassen mit der Situation umzugehen. Einzelne beklagen sich über die Maskenpflicht. die Treffbesucherinnen* sind froh, die Möglichkeiten zu haben, die Öffnungszeiten zu besuchen und die gewohnten Abläufe vorzufinden. Seit letzter Woche ist jedoch vermehrt wahrzunehmen, dass sich die Jugendlichen Gedanken zu den Quarantänefällen in ihrem näheren Umfeld machen. Für die Jugendlichen ist es wichtig, ihre Freizeit noch eigenständig und frei zu planen. Einige Treffbesucherinnen* waren in Quarantäne. In den Klassen wird das Thema sehr unterschiedlich gehandhabt. Einerseits wird die Situation diskutiert und Befindlichkeiten der Jugendlichen werden aufgenommen. Andererseits fühlen sich die Jugendlichen (nach ihren Aussagen) allein gelassen.


Die Perspektive der Jugendarbeiter*innen

Wir beobachten eine zunehmende Verunsicherung der Jugendlichen. Sie haben stark das Bedürfnis, sich auch in grösseren Gruppen zu treffen und unbeschwert ihre Freizeit zu gestalten. Gleichzeitig wissen sie, dass dies momentan nicht möglich ist. Wir als Jugendarbeiter*innen versuchen, zu sensibilisieren und auf die gesellschaftliche Verantwortung aufmerksam zu machen, aber auch die Sorgen und Ängste der Jugendlichen zu hören und ernst zu nehmen. Gleichzeitig beobachten wir im Umfeld der Jugendlichen vermehrt positive Testresultate und auch den Umgang mit den Quarantäneregeln ist bei den Jugendlichen sehr unterschiedlich. Deshalb versuchen auch wir, die Jugendlichen zu informieren und sie auf ihre Pflichten bezüglich der Pandemie hinzuweisen. Die Jugendarbeitenden versuchen ihr bestes, die Jugendlichen zu unterstützen und sind 7 Tage die Woche für sie erreichbar.

Zurück zur Liste